Redeflussstörungen
Redeflussstörungen können in zwei Gruppen
unterteilt werden:
1. Stottern (Balbuties)
Als Stottern wird eine Störung des Redeflusses bezeichnet
die sich durch Auffälligkeiten im Redefluss zeigt. Der Rede-
fluss wird unterbrochen durch eine Wiederholung von
Lauten, Silben oder Wörtern, durch das Langziehen eines
Lautes oder durch ein Blockieren beim Aussprechen eines
Lautes, wodurch eine stumme Pause im Sprechfluss
entsteht.
2. Poltern (Cluttering)
Zu schnelle, hastige, überstürzte Redeweise, die zu aus-
gelassenen Silben, undeutlichen Wörtern und Wieder-
holungen führt, nennt man Poltern. Anders als beim Stottern verbessert sich das
Sprechen des Polterers, wenn er sich darauf konzentriert.
Stottern bei Kindern
Im Laufe der Sprachentwicklung sind bei den meisten Kindern im Vorschulalter Unflüssig-
keiten im Sprechablauf zu beobachten. Diese Auffälligkeiten im Redefluss verschwinden
nach einigen Wochen jedoch normalerweise
wieder. Sollten sie allerdings länger als
sechs Monate anhalten oder von Anspann-
ung begleitet sein, ist eine logopädische
Beratung mit Diagnostik und eventueller
Therapie anzuraten. Dies gilt auch, wenn
das Kind aufgrund des eigenen Störungs-
bewusstseins oder aufgrund negativer
Reaktionen anderer Kinder unter seinem
Sprechproblem leidet.
Das kindliche Stottern kann sehr
schwankend sein. Je nach Anforderungen,
die das Kind oder die Umgebung an das
Kind richten und je nach Fähigkeiten, die
dem Kind zur Verfügung stehen, kann sich
das Stottern zeitweise verstärken oder auch
wieder ganz verschwinden. Etwa 75 % der
Kinder, die tatsächlich stottern, verlieren
dieses Stottern im Laufe der nächsten ein bis zwei Jahre wieder.
Die Entstehung des Stotterns kann bisher keiner bestimmten Ursache zugeordnet werden.
Man geht von einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren aus. Dabei können die
genetische Veranlagung, minimale Veränderungen im Gehirn, die allgemeinen sprachlichen
Fähigkeiten sowie die Umgebung des Kindes eine Rolle spielen. Ein einzelnes Ereignis, z. B.
ein Unfall, ist als Auslöser eher unwahrscheinlich.
Die Therapie des kindlichen Stotterns umfasst die Therapie an den Stottersymptomen, die
Förderung des flüssigen Sprechens, gegebenenfalls die Arbeit an begleitenden Sprach- und
Sprechproblemen (z. B. Wortschatz, Grammatik, Artikulation), Aufbau und Erhalt des
Selbstbewusstseins, sowie Elternberatung und -unterstützung.
An den Symptomen wird bei sehr kleinen Kindern eher indirekt gearbeitet, indem die
Therapeutin beispielsweise selbst leichtes Stottern in ihr Sprechen mit einbaut. Bei Kindern
ab etwa vier bis fünf Jahren arbeite ich direkt an den Stottersymptomen. Dabei wird das
Kind vorsichtig dazu herangeführt, seine eigenen Symptome zu erkennen (Identifikation),
sie als Teil seines Sprechens zu akzeptieren und dadurch die Angst davor verlieren
(Desensibilisierung). Je nach Alter werden auch Sprechtechniken erarbeitet, zum Beispiel
„weich und gemütlich sprechen wie ein Bär“
(Modifikation).
Besonders wichtig ist es, das Stottern zu
enttabuisieren. Das Kind bemerkt normaler-
weise sehr wohl, dass es Probleme im Rede-
fluss hat. Ist dies jedoch ein Thema, über
das nicht gesprochen wird, kann beim Kind
der Eindruck entstehen, dass Stottern etwas
Schlimmes ist. Daraufhin bemüht sich das
Kind nun, nicht mehr zu stottern, womit es
sich selbst unter Druck setzt und sich die
Symptomatik verstärkt. Leider haben die gut
gemeinten Hilfen an das Kind, erst einmal
tief durchzuatmen, nachzudenken oder
langsamer zu sprechen denselben
ungünstigen Effekt.
Ein gelassener Umgang des Kindes und der Eltern mit dem Stottern hat dagegen positiven
Einfluss auf das Sprechen des Kindes.
In die Stottertherapie bei Kindern fließen je nach individueller Ausprägung des Stotterns
und Persönlichkeit des kleinen Patienten Teile aus den Therapieansätzen von P. Sand-
rieser und W. Schneider, N. Katz - Bernstein, C. Dell und C. van Riper mit ein.
Stottern bei Jugendlichen und Erwachsenen
Das Stottern bei Jugendlichen und Erwachsenen hat sich meist aus deren Stottern im
Kindesalter entwickelt. Ein plötzliches Auftreten im Erwach-
senenalter ist jedoch durch negative Einwirkungen auf das
Nervensystem möglich, z. B. bei Schlaganfall,
Schädel – Hirn – Trauma, Medikamente, …
Auch im Jugend- und Erwachsenenalter können das Auftreten
und die Stärke des Stotterns sehr schwanken. Häufig hat sich
die Symptomatik hier, im Gegensatz zum Stottern bei
Kindern, bereits manifestiert. Beim Sprechen wird nun mehr
Druck aufgewendet. Dazu kommt, dass sich oft schon die
Angst vor dem Stottern aufgebaut hat, die den Betroffenen
das Sprechen noch zusätzlich erschwert und unterschiedliche
Begleiterscheinungen (Sekundärsymptome) auslöst. Um das
eigentliche Stottern zu überwinden bzw. zu kaschieren werden
möglicherweise Sätze abgebrochen, Füll- und Startwörter
(z. B. äh, also) zu Hilfe genommen, Atemgeräusche (z. B.
Räuspern, Husten) eingebaut, oder das Sprechen übertrieben gestisch unterstützt. Die
meisten Betroffenen leiden sehr unter ihrem Sprechproblem und setzten daher
Vermeidungsstrategien ein, z. B. Ausweichen des Blickkontaktes, Ersetzung bestimmter
„schwieriger“ Wörter durch einfachere, Vermeidung von angstbesetzten Situationen oder
Personen.
In der Therapie mit Jugendlichen und Erwachsenen Stotternden arbeite ich nach dem
„Non – Avoidance – Konzept („Stottern nicht
vermeiden“) nach Charles van Riper. Dabei lernt der
Betroffene, seine Stottersymptome zu erkennen
(Identifikation) und die Angst vor dem Stottern zu
verlieren (Desensibilisierung). Weiterhin wird eine
Sprechtechnik mit dem Patienten erarbeitet, die die
Stotterhäufigkeit und den die Stärke des Stotterns
reduziert und so zu flüssigerem Sprechen führt
(Modifikation).
Ein wichtiger Faktor ist der Transfer der erlernten
Therapieinhalte in den Alltag. Dazu werden
Familienmitglieder oder Freunde mit in die Therapie
einbezogen (z. B. Anruf bei einem Freund mit Einsatz
der erlernten Sprechtechnik) und die Therapie findet zum Teil auch außerhalb der Praxis
statt (z. B. Besuch beim Bäcker).
Poltern (Cluttering)
Poltern ist eine Störung des Redeflusses, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der
Polternde von seinen Mitmenschen häufig nicht verstanden wird. Mögliche Ursachen des
Missverstehens:
•
Schwanken des Sprechtempos, teils massiv überhöht
•
Auslassung und/ oder Verschmelzung von Lauten, Silben, Wörtern oder ganzen
Satzteilen
•
undeutliche, verwaschene Artikulation
•
Satzabbrüche/ Satzumstellungen
•
Wiederholungen
•
fehlender Zusammenhang beim Erzählen
Die meisten Polternden nehmen ihr Sprechen
nicht als auffällig wahr und haben daher keinen
Leidensdruck. Im Gegensatz zum Stottern wird
das Sprechen des Polterers besser, wenn er sich
darauf konzentriert. Allerdings ist es auch
möglich, dass Stottern und Poltern kombiniert
auftritt.
Die Ursache des Polterns ist bisher noch nicht
geklärt, die Veranlagung spielt jedoch eine Rolle.
Der Verlauf des Polterns zeigt sich meist in einem erstmaligen Auftreten im Kindesalter,
einer Verstärkung in der Pubertät und besteht das ganze Leben weiter, wobei die
Symptomatik Schwankungen unterliegt.
Das therapeutische Vorgehen zur Behandlung des Polterns in meiner Praxis beinhaltet ein
individuell am Störungsbild des Patienten angepasstes
Arbeiten. Dabei orientiere ich mich an dem
mehrdimensionalen Therapiekonzept von Ulrike Sick
und Wolfgang Braun. Inhalte der Therapie sind die
Verbesserung der allgemeinen und sprachlichen
Eigenwahrnehmung, Arbeit and der Artikulation und die
Reduzierung des Sprechtempos mittels Einsatz von
Betonung und Sprechpausen, sowie Rhythmisierung
der Sprechatmung. Der Patient lernt, in bestimmten
Situationen sein Sprechen so zu kontrollieren, dass er
für seinen Gesprächspartner verständlich ist. Zusätzlich
wird auch die sprachliche Strukturierung beim Erzählen
trainiert, um dem Polternden eine verbesserte
Kommunikation zu ermöglichen.
Je nach Ausprägung ist wird in weiteren sprachlichen
Bereichen wie z. B. Grammatik, Wortschatz, allgemeine
Konzentrationsfähigkeit, … gearbeitet.
Die Anwendung der erlernten Inhalte im Alltag wird
unterstützt durch Vorbereitung auf bestimmte, für den
Patienten wichtige Situationen (z. B. Referat vortragen,
Vorstellungsgespräch durchspielen), Miteinbeziehen von Familie und Freunden, sowie
Aufgabenstellungen zur Anwendung von Therapieinhalten im Umfeld.
Bei Poltern im Kindesalter werden die oben genannten Therapieinhalte auf das Niveau des
Kindes angepasst und viele Übungen auf spielerische Weise dargeboten. Weiterhin findet
eine Elternberatung und -unterstützung statt.